Gelassenheit statt Recht haben – so geht’s
Auf den letzten Blog-Post „Wie Du in 7 Schritten jeden dazu bringst Dir zuzuhören“ bekam ich jede Menge Reaktionen.
Der Tenor der Rückmeldungen war:
„Die Inspiration im Artikel ist toll. Aber was kann ich tun, dass das auch klappt? Es ist so schwer, mich vom Rechthaben fernzuhalten.“
Heute verrate ich Euch den Trick, der Euch hilft, gelassener auf das Rechthaben zu “verzichten“.
Der Trick ist, automatisierte Reaktionen Deines Systems zu de-automatisieren.
Wie das geht?
Indem Du Dir erst einmal bewusst darüber wirst, welche automatisierte Reaktionen bei Dir ablaufen.
Und die Bewusstheit darüber wird Dir die Klarheit und die Kraft geben, im entsprechenden Moment eine Lücke anzusteueren, aus der heraus Du anders reagieren kannst.
Zum Beispiel:
Dein Kollege erzählt Dir mal wieder, warum eine bestimmte Maßnahme überhaupt nichts bringt. Dein System will sofort wie üblich reagieren.
Wie üblich heißt in diesem Fall, dass Dein System überzeugen, diskutieren und Recht haben will.
Denn in diesem „wie üblich-„Moment liegt die Chance, dem ganzen Gespräch die entscheidende Wendung zu geben.
Das schaffst Du, indem Du Dich in diesem Moment ganz aufmerksam selber beobachtest und herausfindest, was Dich davon abhält, Deinem Kollegen zuzuhören bzw. ihm sogar Recht zu geben.
Beobachte genau, was in Dir für ein Theater abgeht. Was die Stimmen in Dir sagen.
Du wirst herausfinden, dass es häufig darum geht, dass Du Angst hast.
* Angst, dass Du selber nicht gehört wirst oder etwas nicht bekommst.
* Angst, dass Du zur Verantwortung gezogen wirst oder der Depp für alle anderen bist.
* Angst, dass Du dumm da stehst.
* Angst, dass Du Deine guten Argumente vergisst. Und so weiter.
Diese Ängste sind alt. Sehr alt. In aller Regel haben wir sie in der Kindheit erworben auf der Basis von Erziehung à la:
* „Wenn Erwachsene reden, haben die Kleinen zu schweigen.“
* „Du bist doch der Älteste. Von Dir hätte ich mehr Vernunft erwartet.“
* „Erzähl‘ doch nicht schon wieder so einen Unsinn.“
* „Dafür habe ich jetzt keine Zeit. Komm später wieder.“ Und so weiter.
Um unseren Erziehungspersonen gerecht zu werden, eigneten wir uns gewisse Reaktionsmuster an.
Und die sind es, die Dich im Heute “wie üblich“ reagieren lassen.
Wirst Du Dir Deines “wie üblich“ bewusst, kannst Du was Neues ausprobieren.
Lege die alles entscheidende Pause zur Selbstbeobachtung ein!
Am Anfang fühlt sich das vielleicht ein Bisschen so für Dich an, als würdest Du durch Kaugummi gehen. Gedehnt. Langsam. Denn Dein Kopf ist schnell, blitzeschnell. Und genau diesen schnellen Kopf (= die alten Muster) gilt es zu überlisten.
Du kannst Dir ein, zwei Standard-Sätze zurecht legen. Zum Beispiel:
„Warte mal. Ich komm‘ noch nicht ganz mit. Du bist also der Meinung, dass …? So habe ich das ja noch nie betrachtet. Erzähle mir bitte mehr darüber.“
Und dann lasse das Gespräch sich neu entwickeln.
Ich wünsche Dir ganz viel Spaß beim Entdecken Deiner höchstpersönlichen “Haupt-Argumente“. Poste sie gerne und teile mit anderen, was Du erlebt hast.
Stefanie
P.S.:
Das alles ist übrigens exzellent dazu geeignet, immer mehr die (der) zu werden, die Du wirklich bist!
Wenn Du es nämlich mal geschafft hast, die Lücke zwischen Dir und Deinen Stimmen herzustellen, dann bist Du schon einen riesigen Schritt in Richtung Selbstbestimmung gegangen Und Selbstbestimmung heißt, dem Leben nicht ausgesetzt zu sein, wie ein Korken auf den Wellen der hohen See, sondern das Ruder steuernd in die Hand zu nehmen.
Es lohnt sich also hier zu investieren. Denk‘ dran, wenn Du mal wieder genervt bist!
Und hier noch eine kleine private Anekdote, was für mich möglich wurde, weil ich nicht Recht behalten wollte:
Frühstückszeit, der Lieferservice hat frisches Brot gebracht. Ich stehe mit der Hausfrau in der Küche, sie legt das vorhandene (alte) Brot für den Frühstückstisch bereit. Ich sage: „Wollen wir nicht das frische Brot aufdecken, denn sonst ist ja das frische schon wieder alt, wenn wir das alte gegessen haben (= Recht haben durch Argumente).“ Die Hausfrau entgegnet etwas mir nicht Verständliches. Meine normale “wie üblich-“Reaktion wäre gewesen, nachzuhaken, zu insistieren, zu hinterfragen, warum sie es nicht so macht, wie ich vorgeschlagen habe. Kurzer Moment des Innehaltens, dann der Entschluss, jetzt nicht zu diskutieren, also die Chance darauf, Recht zu haben, verstreichen zu lassen. (Meine Angst war, kein frisches Brot zu bekommen…).
Kurze Zeit später am Frühstückstisch: Der Herr des Hauses fragt: „Sag mal, ist nicht frisches Brot gekommen? Lasst uns das frische Brot essen, sonst ist das frische Brot das alte, wenn wir jetzt das alte essen.“
Und jetzt kommt der magische Moment:
Ich hätte jetzt recht behalten können und sagen können: „Genau das habe ich auch vorgeschlagen!“ (Meine Stimmen würden triumphieren, blasen einen Tusch auf meine Genialität blasen und herablassend mit einem „Pfft“ auf die Hausfrau blicken.)
Oder ich konnte in den wunderschönen Raum der Beziehung eintreten und den Schnabel halten. Dieses Mal war ich schneller als meine Stimmen, ich habe meinen Mund gehalten und zur Hausfrau geblickt.
Und das ist geschehen:
Wir haben uns angegrinst und verschwörerisch mit den Augen gezwinkert. Das war ein so inniger Moment, des in Beziehung Seins! Es war so viel mehr wert, als der Triumph des Rechthabens. Genial! Ich kann es zur Nachahmung sehr empfehlen!
Alles Gute!
Stefanie
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