Warum Abgrenzung lernen so wichtig für gute Beziehungen ist
Autsch.
Das hatte gesesessen!
Frank schlägt die Türe zu.
Audio des Artikels anhören – hier klicken und nach unten springen
Jetzt ist er mal eingeschnappt.
Die nächste Stunde brauchte Sarah gar nicht erst anzukommen mit fadenscheinigen Erklärungen.
Pfft.
Bestimmt kennst Du das auch:
Du bist in einer Beziehung zu einem Menschen, den Du sehr magst, ihn vielleicht sogar liebst. Du bist glücklich, dass dieser Mensch in Deinem Leben ist.
Meistens.
Ihr schmiedet gemeinsam Pläne und setzt sie als Team um.
Manchmal.
Wenn Ihr nicht der gleichen Meinung seid, dann löst Ihr diese Diskrepanz ruhig und zur Zufriedenheit aller Beteiligten innerhalb kurzer Zeit auf.
Biiieeeeep!
Rote Lampe!
Alarm!
Warum nur fällt es uns so verdammt schwer, genau mit den Menschen, die wir am meisten mögen, eine gute Konfliktkultur zu etablieren?
Warum zoffen und zanken wir uns am allermeisten mit dem Partner, den Kindern oder anderen Familienmitgliedern?
Ich verrate Dir heute woran das liegt:
Viele Menschen sind der Meinung, dass sie eine eigene Meinung hätten und sie auch vertreten würden.
Das sehe ich anders.
Meiner Wahrnehmung nach haben die allermeisten Menschen nämlich gar keine eigene Meinung, sondern eine Orientierung am Außen. Dies äußert sich sichtbar darin, dass sie jeder Mode hinterherrennen. Anders lässt es sich für mich nicht erklären, dass Familienväter mit Mitte 40 sich nun den letzten Rest verbliebenes Haupthaar zum Mini-Dutt eindrehen.
Zum Mini-Dutt.
Männer.
…
Was wir Frauen da so zelebrieren lasse ich an dieser Stelle unerwähnt, Ihr wisst alle was ich meine.
Während nun das mitmachen von Modetrends eine eher harmlose Variante des keine-eigene-Meinung-habens darstellt, wird es allerdings zwischenmenschlich unangenehm, wenn es zu den grundlegenden Verhaltensweisen und Überzeugungen kommt.
Hesse schrieb einmal in seinem Buch “Eigensinn macht Spaß“, dass er Eigensinn deshalb kein gutes gesellschaftliches Renommee hat, weil er zur Voraussetzung habe, dass man eben einen Sinn für das Eigene hat.
Und genau so, wie Hermann Hesse den Eigensinn in seinem Buch feiert, in genau diesem Maße fehlt er ihm (und mir) in unserer Gesellschaft und in unseren Beziehungen.
Was bedeutet Abgrenzung denn eigentlich genau?
Wenn ich in diesem Artikel von Abgrenzung rede, dann beinhaltet dies für mich folgende Komponenten des Eigen-Sinns nach Hesse. Nämmlich:
- eine eigene Meinung haben
- die eigene Meinung vertreten
Ich liefere gerne ein paar Beispiele:
Eine eigene Meinung in Sachen der eigenen Gesundheit:
Ich höre öfters von Patienten, dass der Arzt es noch nicht geschafft hat, sie gesund zu machen. Nun, das wird in 100 Jahren nicht passieren, wenn wir nicht selber die Verantwortung für unsere Gesundheit übernehmen. Denn nur dann können wir heilen. Und dafür brauchen wir eine Meinung. Z.B. eine Meinung darüber, welche Behandlung und welche Medikamente uns gut tun. Das erfordert Eigen-Sinn im Sinne der Eigenwahrnehmung.
Eine eigene Meinung in Sachen Kindererziehung:
Bevor ich mein Kind annöle oder schlechte Laune bekomme, sollte ich klar haben, was ich vom Kind eigentlich möchte. Und genau dies scheint nicht immer der Fall zu sein. Zig-fach habe ich Mütter schon sagen gehört, dass wenn das Kind jetzt nicht tut, was die Mutter will, dann, ja dann gibt es gaaaaanz schlimme Konsequenzen. Am liebsten genommen: „Dann gehen wir.“. Dann macht das Kind nicht das, was die Mutter will und dann, was geschieht?
Genau.
Nichts.
Wieso zieht die Mutter die Konsequenz nicht durch?
Weil sie Angst vor der Konsequenz der Konsequenz hat.
Sie hätte also lieber vorher in die Überlegung investiert: Was will ich wirklich und will ich es mit diesem Mittel erreichen? Diese Mutter hatte keinen Sinn für das, was sie wirklich will.
Oder in Beziehungen:
Manchmal kommt es vor, dass Partner Dinge tun, die dem jeweils anderen Partner nicht gefallen. Doch statt dass dies der andere Partner benennt, beginnt ein Reigen von Andeutungen, Augenaufschlägen oder Gesichtsschnuten.
Geht der tätige Partner tatsächlich auf diese manipulativen Botschaften ein, gerne mit dem Satz „Ist was, Schatz?“, dann bekommt er zu hören:
„Neeeeeein. Ist schon ok.“
Wer baut hier gerade Mist? Der etwas tut, was dem andern nicht gefällt, oder der, der nicht sagt, dass es ihm (ihr!) nicht taugt?
Und das wirft die Frage auf: WARUM sagt der jeweilige nicht, was ihm nicht taugt?
Antwort: Weil er gar nicht genau weiß, WAS ihm nicht taugt.
Es ist da so ein Gefühl: „Das passt mir nicht.“ Von: „Schon wieder dies / das / jenes.“
Aber worum geht es denn genau bei diesem Gefühl?
Wenn ich an dieser Stelle bei Paar-Coachings nachfrage ist erst Mal Stille. Denn sie / er kann es nicht sagen. Es ist keine Klarheit darüber vorhanden. Oder anders gesagt: Es fehlt die eigene Meinung.
Ein dumpfes Gefühl, schlechte Laune oder PMS sind keine Meinung sondern ein Zustand.
Diese Beispielliste ist lang fortsetzbar. Ich komme zum Kern der Aussage:
Eine eigene Meinung zeichnet sich dadurch aus, dass sie man sie in 2 bis 3 klaren Sätzen auch unbeteiligten Dritten mitteilen kann.
Dies erfordert, dass ich mir Gedanken über meine Grundhaltung zu den Themen des Lebens mache und danach handle.
Ich sollte also – am besten VOR der Hochzeit – für mich klären, was Beziehung für mich bedeutet. Was für mich ein Tabu ist und was für mich Beziehung ausmacht.
Ich sollte klären, was meine Prinzipien in der Kindererziehung sind, bevor mein Teenager mir an den Kopf wirft, dass ich im Leben gar nicht kapiert hätte und gefälligst aus seinem Leben verschwinden soll.
Ich sollte mir vor der Zusage, die Extra-Arbeit zu erledigen überlegen, ob ich das wirklich tun kann, oder ob ich dann über meine eigene Leistungsfähigkeit hinaus gehe (–> übrigens eine der klassischen Ursachen des Burnouts!).
Denn nur wenn ich eine Meinung habe, kann ich sie auch vertreten. Und nur dann kann ich eine Grenze ziehen, sprich mich abgrenzen.
Es ist wunderbar zu sehen, was geschieht, wenn ich mir selber nicht im Klaren darüber bin, was ich will. Dann geschieht Geeiere, Unverbindlichkeit, faule Kompromisse.
Die Konsequenz: Frust, Knatsch und Unzufriedenheit.
Es wäre ja so bequem, wenn der andere meine Gedanken lesen würde oder riechen könnte, was ich mir gerade jetzt wünsche. Denn dann muss ich mir selber darüber eine Gedanken machen und sagen muss ich auch nichts.
Da dies vielleicht in Wolkenkuckucksheim vorkommt aber nicht in München, Bielefeld oder Dresden, muss ich meine Meinung schon selbst verkünden.
Die eigene Meinung vertreten – Voraussetzung für Abgrenzung. Voraussetzung für Nähe.
Dies ist der zweite Punkt, der nötig ist, um sich erfolgreich zu positionieren.
Nichtwähler stützen die Mehrheit. Nichtssager die herrschende Meinung.
So einfach ist das.
Solltest Du also eine Meinung über etwas haben:
Glückwunsch dazu – das ist die Grundlage für gute Beziehungen.
Sofern Du sie auch äußerst.
Denn niemand außer Du selber weiß, was in Deinem Kopf vor sich geht. Informiere Deine Umwelt von Deiner Haltung.
Informieren heißt übrigens ganze, klare, idealerweise ruhig vorgebrachte Sätze zu formulieren.
Informieren heißt nicht:
- die Nase rümpfen
- mit den Augen zu rollen
- zu seufzen
- die Arme zu verschränken
- sarkastische oder ironische Andeutungen fallen zu lassen.
Gehen wir vom besten Fall aus:
Du hast eine Meinung.
Du weißt was Dir gut tut.
Du weißt, was Du möchtest und was nicht.
Warum zum Geier fällt es Dir dann so schwer, dies zu äußern, mithin Dich abzugrenzen?
Der Hinderungsgrund für klare Abgrenzung:
Wir haben Angst davor
Wir haben mit Abgrenzung Dinge verknüpft wie:
- das ist nicht nett
- das ist egoistisch
- das ist asozial
- das tut anderen weh
- das tut mir weh
- wenn ich das tue, mag mich niemand mehr
- das ist unweiblich
- das ist zu hart
Und weil wir all diesen Hirnschiss rumtragen, erzählen wir uns dann so hübsche Geschichten wie:
- eine gute Mutter ist immer nett, kontrolliert und weich
- eine liebevolle Partnerin geht Kompromisse zugunsten der Partnerschaft ein
- ein wertvoller Mitarbeiter begehrt nicht auf und stellt seine Bedürfnisse hinter die der Firma zurück.
Sorry, dass ich jetzt etwas explizit werde, aber das ist Bullshit.
Hör‘ auf Dich selber zu belügen. Denn wir erzählen uns diese Lügen als Pflaster, welches wir auf die schmerzende Wunde kleben, die das Bewusstsein reißt, dass wir mal wieder nicht nach unserer eigenen Wahrheit leben.
Es braucht Mut, für Deine Überzeugungen einzustehen. Und glaube mir: Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe zum Teil sehr kontroverse Ansichten.
Das heißt nicht, dass ich diese jedem ungefragt um die Ohren blase (diese Zeit ist vorbei). Es bedeutet, wenn es zum Schwur kommt, kreuze ich nicht die Finger hinter dem Rücken. Das bringt mir nicht nur Freunde ein, das ist wohl wahr. Insofern stimmt die Aussage von oben “wenn ich das tue, mag mich niemand mehr“ zum Teil. Korrekt ausgedrückt ist meine Erfahrung damit: “wenn ich das tue, mögen mich die nicht mehr, mit denen ich mich sowieso nicht in meinem Leben umgeben will und der Rest schätzt meine Integrität“.
Abgrenzung führt zu Integrität
Tatsächlich ist es nämlich für unser Umfeld, sprich für Partner, Kinder & Co sehr, sehr entspannend, wenn wir klar unsere Meinung vertreten. Wenn wir aussprechen, was uns bewegt.
Dann sind wir greifbar. Ein Stück weit auch kalkulierbar. Und das macht das Zusammenleben unter Menschen einfacher.
Für alle.
Beispiel Mutter:
Wenn Dein Kind weiß, dass Du es ernst meinst, wenn Du es “ernst meinst“, dann wird es nicht versuchen, Dich weiterhin rum zu kriegen. Und das garantiere ich Dir, den ich erlebe es jeden Tag. Was dies angeht, habe ich mir ein Kommunikationsparadies auf Erden erschaffen. Ich weiß wovon ich rede und dass es absolut möglich ist, auf so eine Ebene mit Kindern zu kommen. (Wenn Du dazu Fragen hast, melde Dich gerne oder check den Online-Kurs aus: Mama hat auch Gefühle <<Klick>>)
Beispiel Partnerschaft:
Wenn Du Deinem Partner ganz klar sagst, was Du Dir von ihm wünscht (und es ist völlig egal, ob es sich dabei um mehr Sex handelt oder dass er einkaufen gehen soll), dann kann der andere ebenso klar Stellung dazu beziehen. In diesem Moment wird eine erwachsene Kommunikation möglich. Jenseits von Andeutungen und enttäuschten Erwartungen.
Und Integrität führt zu Intimtät
Hier ist die Formel:
1. Habe den Mut, eine Meinung zu haben
2. Äußere Deine Ansicht klar
3. Sei bereit zuzuhören .
und Deine Beziehungen werden ruhiger und stabiler.
Bleibe Dir selber auf Der Spur und fange an Dich zu beobachten:
- Wo sagst Du nicht, was Du brauchst?
- Wann sagst Du etwas anderes, als Du eigentlich meinst?
- Und dann frage Dich, wovor Du Angst hast.
- Welche Sorge treibt Dich um?
- Was denkst Du, passiert, wenn Du klar Stellung beziehst?
Diese Fragen sind enorm wichtig, um Dir selber auf die Schliche zu kommen und somit letztlich richtig nährende, wunderbare Beziehungen zu führen.
Du hast Fragen dazu?
Wunderbar! Schreibe sie in die Kommentare, ich beantworte sie gern.
Alles Gute und vor allem viele klare Beziehungen wünscht Dir
Stefanie
Wer hier schreibt:
Stefanie ist Autorin und Potential-Coach. Sie hat 2 Söhne und 2 Patchwork-Kinder. Sie schreibt in Ihrem Blog über handfeste Alltagswerkzeuge, wie wir alle leichter, lebendiger und fröhlicher miteinander leben können.
Abonniere ihn hier und Du erfährst via Email, wenn es wieder eine Inspiration gibt (ca. 2x Monat).
Du erhältst zusätzlich meinen Newsletter mit exklusiven Tipps für mehr Bewusstsein und Power im Leben.
Mein Newsletter enthält Informationen und Denkanstöße rund um das Thema Persönlichkeit, Gesundheit, Stress, Potentialentwicklung, Spiritualität und Achtsamkeit. Außerdem sende ich Hinweise auf Blogbeiträge, Vorträge oder Workshops, meine Leistungen oder Onlineauftritte. Informationen zu den Inhalten, der Protokollierung Deiner Anmeldung, den Versand über den Anbieter MailChimp, statistische Auswertung sowie die Abbestellmöglichkeit, findest Du in der Datenschutzerklärung.
Höre Dir hier den Artikel als Audio an:
Wieder nach oben springen Nach oben
Höre Dir den Artikel als Audio an:
Ich finde es so schön dass du so bewusst über so wichtige Themen berichtest, durch Menschen wie dich wird die Welt ein Stückchen achtsamer und wir können mit einem neuen Bewusstsein eine neue Erde kreieren <3 Das ist einfach nur so schön 🙂
Alles Liebe, Lea von http://leachristin.com
Hallo liebe Lea,
Danke für Dein Lob! Ich habe Freude an den zwischenmenschlichen Themen und wenn ich dann noch ein Beitrag dafür sein kann, dass es jemandem besser geht, dann bin ich richtig glücklich.
Gerade habe ich wieder einen Artikel fertig gestellt.
Er heißt:
„Rückgrat oder Waschlappen – Weißt Du, wer zu Dir steht?“
Es geht darum, wie wir es schaffen, in dieser globalen Krise den Kopf hoch halten können.
Alles Liebe, Stefanie